„Erlaubst du wohl, dir ein Geschichtchen zu erzählen?“

Von Andre Busse /

Nachlese

Ein bundesweiter Volksbühnen-Abend mit Musik und Texten aus jüdischer Feder

12.11.2021  im Staatstheater Kassel

Das Jewish Chamber Orchestra Munich unter der Leitung von Daniel Grossman mit dem Solisten Wen-Sinn Yang © Charlotte Lioba Fuchs

Das Jewish Chamber Orchestra Munich unter der Leitung von Daniel Grossman mit dem Solisten Wen-Sinn Yang © Charlotte Lioba Fuchs

Eines gleich vorweg: Es ist ein besonderer Abend, ein wichtiger – und ein sehr gelungener!



Folgt man dem Titel-Zitat, könnte man annehmen, dass der Abend sich mit jüdischen Bühnenrollen befasst, denn mit diesen Worten hebt Nathan, der Weise, an, die Ringparabel zu erzählen. Und es gäbe viele bemerkenswerte Rollen hervorzuheben: Von Shakespeares Shylock über Hebbels Judith bis zu Schnitzlers Professor Bernhardi, um nur einige zu nennen. Doch der Abend widmet sich berühmten jüdischen Theater-Künstlerinnen und -Künstlern.

Die Ausstattung für diese Theater-Lesung kann einfacher und treffender nicht sein: Ein roter Vorhang im Hintergrund, zwei Scheinwerfer an den Seiten und fertig ist die Szene für das mittig platzierte Jewish Chamber Orchestra aus München unter der Leitung von Daniel Grossmann. Die beiden Tische daneben sind für Gesine Cukrowski, bekannt aus Film und Theater, und Christian Brückner, dessen Stimme niemandem unbekannt sein kann.

Zu Beginn wird in einer beeindruckenden Aufzählung an Viele erinnert, die das Theater in Deutschland geprägt haben: Max Reinhardt, Fritzi Massary, Max Pallenberg, Luise Rainer, Curt Bois, Therese Giehse, Ernst Deutsch, Rosa Valetti, Leopold Jessner und und und – die Aufzählung kann und soll kein Ende nehmen. Doch dann hebt Christian Brückner an, die Erinnerungen von Fritz Kortner vorzutragen – an sein Elternhaus, an seinen Traum, Schauspieler zu werden, und vor allem an seinen Vater. Und durch Lesung und Spiel von Gesine Cukrowski taucht die junge Elisabeth Bergner – nur wenige Jahre später als Kortner, aber ebenso wie er – in Wien auf, um Schauspielerin zu werden. Und hier wird klar, der Abend gehört diesen beiden besonderen Persönlichkeiten und ihren Texten, ausgewählt von Peter W. Marx.

Es folgen Wechsel zwischen Wort und Musik, zwischen ihren und seinen Lebenserinnerungen. Dramaturgisch geschickt werden unter der Regie von Martin Mühleis die Dialoge zwischen den beiden Porträtierten zu leisen und behutsamen Höhepunkten des Abends.

Über Fritz Kortner erfahren wir, dass die enorme Büchersammlung seines Schauspiel-Lehrers und das Stipendium, das er als Einziger erhält, den Vater dann doch von seiner Berufswahl überzeugen. Und wir erfahren, wie er von den Berliner Kollegen und Kolleginnen als Dompteur bejubelt wurde, als er die aufgebrachte Zuschauermenge in der Wilhelm-Tell-Inszenierung am Schauspielhaus durch permanentes Anschreien zur Raison brachte. Wie Gustav Frank ihm eindringlich zur Emigration riet und seine Frau ihn in Schockstarre fand, als er am 30. Januar 1933 im Radio die Worte hörte: „Hitler Reichskanzler“. Am Folgetag verließ er Deutschland und kehrte erst nach 14 Jahren wieder zurück. Im zerstörten Berlin trifft er eine „Bekannte“ vom noblen Wiener Straßen-Strich. Welch seltsames Wiedersehen.

Elisabeth Bergner sehen wir bei Sprechübungen mit Korken zu, hören von ihren Unsicherheiten beim ersten Dreh, der Liebe zu ihrem Ehemann, dem Filmemacher Paul Czinner, und von der Zuneigung zu ihrem Kollegen Hans Otto, der ihr gesteht, Kommunist zu sein, und sie später eindringlich auffordert, das braune Deutschland zu verlassen. Auch, dass er kurz darauf von der SA ermordet wurde, berichtet sie. Als sie nach dem Krieg ins zerstörte Berlin kommt, trifft sie einen glücklichen Bertolt Brecht, der sie mit Ruth Berlau an seiner Seite mit großzügiger Geste einlädt, bei ihm zu arbeiten: „Sie gehören hierher!“ Das Hierher ist sein „Schiff“, das Theater am Schiffbauerdamm. Sie lehnt freundlich ab. Erst später im Deutschen Theater, während der Aufführung der „Mutter Courage“, kann sie ihren Tränen freien Lauf lassen über die totale Kriegszerstörung der von ihr so geliebten Stadt Berlin…

Ebenso beeindruckend sind die musikalische Auswahl und ihre Gestaltung. Die Stimmung des Erzählten wird vom Orchester aufgenommen und verstärkt. Zwischen den Dramen der Lebensläufe entstehen so Momente des Innehaltens und Besinnens. Werke von David Popper, Leone Sinigaglia, Robert Schumann und Leó Weiner erklingen. Und mehrmals Kompositionen von Mieczysław Weinberg. Am Violoncello Wen-Sinn Yang – einfühlsam und beeindruckend.

Es ist unvorstellbar, dass der Abend in Berlin der letzte gewesen sein soll. Man wünschte diesem Projekt eine nicht enden wollende Tournee.

28. 10. Hamburg, Elbphilharmonie                                         

30.10. Chemnitz, Kino

31.10. Stuttgart, Liederhalle

08.11. Köln, Schauspielhaus

11.11. München, Volkstheater

12.11. Kassel, Staatstheater

13.11. Bielefeld, Oetkerhalle

14.11. Düsseldorf, Schauspiel

15.11. Berlin, Komödie im Schillertheater

Video – Vorstellung der Spielzeit 2021/22 des Staatstheaters Kassel

Von Andre Busse /

In Kooperation mit dem Medien Zentrum Offener Kanal Kassel (MOK)

Schauspieldirektorin Patricia Nickel-Dönicke und Intendant Florian Lutz präsentieren die neue Theatersaison. Interviewpartner sind Vorstand Jürgen Fechner und Armin Ruda.

Das Pandaemonium

Von Andre Busse /

Das Staatstheater hat seinen Zuschauerraum erweitert. Um auch unter Coronabedingungen ausreichend Sitzplätze zur Verfügung stellen zu können, wurde das „Pandaemonium“ gebaut. Wer gerne ganz vorne mit dabei ist oder Künstler*innen aus nächster Nähe bestaunt, wer einen Blick hinter die Kulissen riskieren möchte, wird diese zusätzlichen Plätze lieben!

Das Video zeigt dazu erste Eindrücke:

Cantamus-Chor

Von Andre Busse /

Der Kinder- und Jugendchor des Staatstheaters Kassel CANTAMUS erhält den KULTURpunkt-Preis 2020/2021 in der Sparte Musiktheater.

Der Kinder- und Jugendchor Cantamus, seit 2012 unter der erfolgreichen Leitung von Maria Radzikhovskiy, beweist seit vielen Jahren ein hohes künstlerisches Niveau, eingebunden in 0pern-, Musical- und Operetten-Produktionen, in Theater-Jugendorchester-Projekten am Staatstheater Kassel. Besonders hervorzuheben ist die von den Jugendlichen selbst konzipierte literarisch-musikalische Erzählung „… und der Regen rinnt“.

Die Verleihung am 11. Juli 2021 im Opernhaus des Staatstheaters Kassel im Anschluß an die Vorstellung „Der Wind in den Weiden“.

KULTURpunkt-Preis 2020 – Gewinnerin Caroline Dietrich

Von Andre Busse /

Die Leser der HNA und die Mitglieder des KULTURpunkt hatten die Künstlerin bereits 2020 zur beliebtesten Darstellerin des Kasseler Schauspielensembles gewählt. Caroline Dietrich ist inzwischen im Frankfurter Schauspiel tätig, so dass die Verleihung nun die erste Glegeneheit für sie war, sich vom Kasseler Ensemble zu verabschieden. Corona hatte dies bisher verhindert; Corona war auch der Grund für die verzögerte Preisverleihung.

Jürgen Fechner, Vorsitzender des KULTURpunkt und Intendant Thomas Bockelmann bedankten Sie für die vielen schönen und beeindruckenden Theatermomente, die die Schauspielerin in Kassel hinterlassen hat. Für die Städtische Werke AG war Michael Oelemann ein letztes Mal anwesend. Er geht in den verdienten Vorruhestand und hat maßgeblich die Bereitstellung der Dotierung des Preises in Höhe von 1.000 EUR ermöglicht. Auch ihm galt Jürgen Fechners ganz besonderer Dank.

Regelmäßig verleiht der KULTURpunkt mit Unterstützung der Städtischen Werke AG den mit 1.000 EUR dotierten KULTURpunkt-Preis, mit dem er das Wirken zeitgenössischer Künstlerinnen würdigt. Die jeweilige Preisträgerinnen wird von den Lesern der HNA, den Mitgliedern des Vereins und der Kasseler Bevölkerung gewählt.

Auf dem Foto von links nach rechts: Ursel Bessing (Vostand KULTURpunkt), Michael Volk (Chefdramaturg), Caroline Dietrich, Jürgen Fechner (Vorstand KULTURpunkt), Michael Oelemann (Städtische Werke AG)

KULTURpunkt-Preis Musiktheater 2020/21

Von Andre Busse /

Der Kulturpunkt-Preis in der Sparte Musiktheater geht in diesem Jahr an die Operndirektorin Dr. Ursula Benzing.

Der Preis wurde im Goddesdienst im Rahmen Reihe „inspiriert“ in der Martinskirche verliehen.

Alle Plätze in der Kirche St. Martin waren an diesem sonnigen Sonntagvormittag belegt. In dem vorerst letzten Gottesdienst dieser Art, bedankten sich Pfarrer Dr. Willi Temme und die Gemeinde  herzlich bei Operndirektorin Dr. Ursula Benzing und Chefrdramaturg Michael Volk, für die vor 16 Jahren ins Leben gerufene Veranstaltungsreihe. Temme wünscht sich für die Zukunft, dass die Kombination aus Gottesdienst und Theaterinhalten, auch unter der neuen Leitung des Staatstheaters Kassel fortgeführt wird. Trotz aller Wehmut, überwog die Freude über das Erreichte.

Am Ende des Gottesdienstes wurde Dr. Benzing der KULTURpunkt Preis 2020/21 überreicht. Sie gestaltete zunächst als Leitende Musikdramaturgin und dann als Operndirektorin vielseitige Opernspielpläne unter besonderer Förderung der Barockoper. Es gelang ihr kontinuierlich, hervorragende Künstler*innen für das Staatstheater zu gewinnen.
Insbesondere würdigt der Preis den lebendigen Austausch von Dr. Benzing mit dem Publikum u. a. bei Publikumseinführungen, Matineen und Opernwerkstätten. Der Vorsitzende der Besuchervereinigung „KULTURpunkt“, Jürgen Fechner, bedankte sich bei dieser Gelegeneheit auch bei Michael Volk für die ausserordentlich angenehme und konstruktive Zusammenarbeit.

Der KULTURpunkt-Preis wird von der Städtischen Werke AG unterstützt und ist freundlicherweise mit 1.000 EUR dotiert.